Ölpreise weiterhin im Aufwind | Aktuelle Ölmarkt-News vom 19.05.2020

um 11:04 Uhr von Benjamin Stelse

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Nach mehreren erfolglosen Versuchen der Erholung und einem regelrechten „Verfall“ der Rohölpreise, befinden sich die Notierungen seit Anfang Mai in einem Aufwärtstrend, der nach einer einwöchigen Stagnation der Notierungen zuletzt auch wieder „in Schwung“ gekommen ist. Während auf vergleichbare Aufwärtstrends in den letzten Wochen häufig deutliche Gegenbewegung folgten, blieb diese im aktuellen Fall bisher aus. Neben den Preisen der beiden Rohölsorten, sind auch beim Gasöl (Börsenwert für Diesel und Heizöl) deutliche Preissteigerungen erkennbar.

Die Entwicklung der Rohölpreise wurde seit Jahresanfang von Marktteilnehmern und Analysten bereits mehrfach als außergewöhnlich und teilweise sogar „historisch“ bezeichnet. Auch wenn die Abkoppelung des Heizölpreises in der Vergangenheit durchaus schon mehrmals vorkam, so muss es dennoch als äußerst seltenes Phänomen bezeichnet werden. Während konträre Entwicklungen der Rohöl- und heimischen Heizölpreise über kurze Zeiträume häufiger vorkommen, so ist ein Zeitraum von mehr als zwei Wochen, wie er in den ersten beiden Maiwochen erkennbar war, ungewöhnlich. Seit Ende letzter Woche ist die Abkoppelung jedoch beendet, sodass die Preise wieder „im Gleichschritt“ nach oben marschieren.

Während sich der Rohölpreise bis letzte Woche Donnerstag in den vorherigen zwei Wochen in einem äußerst schmalen Preiskanal von maximal 1,6 Dollar/Barrel (159 Liter) auf und ab bewegten, ist seitdem der Übergang in einen Aufwärtstrend abzulesen. Bei der für Europa relevanten Nordseesorte BRENT kam es seit gestern Nachmittag zu einer deutlichen Preissteigerung von 2,8 Dollar/Barrel (159 Liter) auf 35,5 $/b, sodass die Sorte Brent erstmals seit Mitte April die 35-Dollar-Marke überschritt. Und auch der Preis für ein Barrel der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg in ähnlichem Höhe und notierte im frühen Handel bei 32,8 $/b. Für einen vergleichbaren Wert von über 30 Dollar/Barrel mussten wir in unseren Statistiken bis Mitte März zurückgehen.

Die Rohölpreise befanden sich in Folge der Corona-Krise und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen bis Ende April in einem lang anhaltenden Abwärtstrend, der im Wesentlichen auf die Kombination aus zwei Faktoren zurückzuführen war. Zum einen hat die Corona-Pandemie weltweit zu einem beispiellosen Nachfragerückgang geführt, der trotz diverser geldtechnischer und auch staatlichen Maßnahmen zunächst nicht gestoppt werden konnte. Zum anderen haben die gescheiterten Verhandlungen der Opec mit dem Ziel einer Produktionsreduzierung, sowie ein darauffolgender Preiskrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien zu einer regelrechten Überschwemmung des Ölmarktes geführt.

Doch die zuvor noch ausbleibende Wirkung der Maßnahmen zeigte mit leichter Verzögerung zuletzt den gewünschten Erfolg. Neben der Einigung und der Umsetzung der einheitlichen Förder- mengenkürzung innerhalb des Opec + Verbundes seit Anfang Mai, hat das Förderland Saudi-Arabien darüber hinaus eine freiwillige zusätzliche Fördermengenkürzung um eine Mio. Barrel pro Tag in Aussicht gestellt. Alleine die Aussicht hatte unmittelbar nach der Meldung einen spürbaren preistreibenden Effekt. Hinzu kamen auch unfreiwillige Kürzungen, zu denen insbesondere die US-Schieferölproduzenten zählen, die ihre Produktion in den letzten Wochen aus wirtschaftlichen Gründen zurückfahren mussten.

Neben dem preistreibenden Effekt auf der Angebots- seite, kommt es nach den Lockerungen der Corona-Einschränkungen in immer mehr Wirtschaftsnationen zu einer erhöhten Rohölnachfrage. Die aktuell verbesserte Stimmung an den Aktienmärkten führt auch dazu, dass Anleger wieder vermehrt in riskantere Anlageformen wie Rohstoffe investieren. Trotz der deutlich verbesserten Vorgaben am internationalen Ölmarkt, sehen wir weiterhin nur wenig Spielraum für ein weiteres Erholungspotenzial der Notierungen. In den letzten Wochen haben mehrere Beispiele gezeigt, dass die Erholungsversuche nicht nur abgebrochen wurden, sondern die Preise daraufhin regelrecht abrutschten. Es sollte dementsprechend zunächst abgewartet werden, wie nachhaltig die jüngste Aufwärtsbewegung der Notierungen bleibt.

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