Ölpreise stoppen Erholungstour | Aktuelle Ölmarkt-News vom 30.06.2020

um 11:40 Uhr von Benjamin Stelse

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Das Ende des aktuellen Monats gibt uns die Möglichkeit einen Blick zurückzuwerfen und einen Vergleich mit den Vormonaten zu ziehen. Die Rohölpreise am internationalen Ölmarkt kannten aufgrund der Corona-Krise in den ersten vier Monaten des aktuellen Jahres nahezu konstant nur den Weg nach unten. Erst Anfang Mai wirkten die massiven geldpolitischen Maßnahmen, sodass eine Erholungs- tour startete, die zu einer Stabilisierung des Ölmarktes führte. Auch wenn die Preisbewegungen im Mai und Juni wesentlich übersichtlicher ausfielen, konnten die Notierungen zu Beginn der letzten Woche einen Drei-Monats-Höchststand erreichten, dessen Haltbarkeit jedoch nur von kurzer Dauer war.

Denn bereits kurz darauf wurden die Höchststände beider Rohölsorten wieder verlassen und es folgte der Start einer regelrechten Achterbahnfahrt der Rohölpreise. Auch wenn sich die Notierungen in den letzten Tagen nur innerhalb eines recht schmalen Preiskorridors von 2,6 Dollar/Barrel bewegten, ist im Vergleich zu den letzten Wochen eine deutliche Zunahme an Auf- und Abbewegungen ersichtlich. Mit dem Blick in unsere Statistiken konnten wir außerdem feststellt, dass die Preisschwankungen im Monat Juni mit 5,5 Dollar/Barrel im Vergleich zu den Vormonaten deutlich nachgelassen haben, die Anzahl der Kursschwankungen jedoch deutlich zugenommen hat.

Und auch zum Start in die aktuellen Woche ist eine Fortsetzung der zuvor beschriebenen Entwicklung der Rohölpreise ersichtlich. Nachdem die Rohölpreise am gestrigen Montagmorgen mit Verlusten von jeweils mehr als 3,4 Prozent in den Tag starteten, kam es im Laufe des Handelstages zu einem unerwarteten Richtungswechsel, sodass ein Großteil der Preisrück- gänge ausgeglichen werden konnten. Zum Start in den heutigen Handelstag konnte die Erholung des Vortages jedoch nicht fortgesetzt werden. Der Preis der US-Sorte WTI notierte am Morgen bei 39,3 $/b und der Preis der für Europa relevanten Sorte Brent lag bei 41,5 $/b. Beide Sorten gaben somit am Dienstagmorgen um leichte 0,2 Dollar/Barrel nach.

Nachdem die Corona-Pandemie und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen bereits im März und April einen maßgeblichen Anteil am zwischen- zeitlichen Verfall der Rohölpreise hatten, blicken Marktteilnehmer und Analysten aktuell mit Spannung auf die Entwicklungen in Nordamerika. Während in den USA bis vor wenigen Wochen eine mit Europa vergleichbare Besserung der "Corona-Lage" ersichtlich war und in ersten Lockerungen der vorherigen strengen Corona-Restriktionen stattfanden, wird aufgrund der aktuellen Entwicklung von einer zweiten Welle gesprochen. Erste Virologen empfehlen nicht mehr nur die temporären Lockerungs-Stopps, sondern sprechen bereits jetzt über eine mögliche Notwendigkeit eines zweiten Lockdowns.




Auch wenn ein zweiter „Lockdown“ aktuell von uns noch als unwahrscheinlich eingeschätzt wird, so wären die Konsequenzen für die globale Wirtschaft, als auch für die Rohölnachfrage dramatisch. Es ist zwar davon auszugehen, dass es im Falle einer zweiten „Corona-Welle“ zu erneuten Rückgängen bei den Rohölpreisen kommen würde, jedoch ist eine Wiederholung des Preisverfalls von Anfang des Jahres nicht zu erwarten. Die Gründe für unsere Annahme sind auf der Ange- botsseite zu finden. Während im März noch Uneinigkeit bzgl. einer Anpassung der Fördermengenpolitik seitens des Opec + Verbundes herrschte, ist anhand der Erholungstour der Erfolg der Mengenkürzungen offensichtlich und würde in dieser Form wohl auch noch längere Zeit fortgeführt werden können.

Die Gefahr einer Wiederholung des Rohölpreisverfalls wird auch als unwahrscheinlich eingeschätzt, da anders als zu Beginn des Jahres, den zu befürchtenden preisdrückenden Effekten aktuell auch einige preis- treibende Impulse gegenüberstehen. Diese führten seit Anfang Mai zu einer regelrechten Erholungstour der Ölpreise. Die aus den zahlreichen geldpolitischen Maßnahmen resultierende Stabilisierung der internati- onalen Finanzmärkte, sorgte auch für einen Richtungswechsel der Ölpreise und einer tendenziellen Normalisierung des Ölmarktes. Anhand der jüngst wieder zunehmenden Schwankungen wird jedoch deutlich, dass eine konstant anhaltende Fortsetzung der Erholungstour nicht garantiert werden kann und ein unerwarteter Richtungswechsel jederzeit möglich ist.

Neben der Sorge vor den möglichen Nachfragerisiken infolge einer zweiten Corona-Welle und den zwischen- zeitlichen „Gerüchten“ über eine Verschärfung des Verhältnisses zwischen den beiden Wirtschaftsmächten USA und China, wanderte der Blick der Marktteil- nehmer zuletzt immer häufiger auf die Entwicklung der US-Rohöllagerbestände. Durch den jüngsten Anstieg erreichten die Lagerbestände Ende letzter Woche den höchsten Stand seit Juli 2017. Mit Spannung werden die für morgen Nachmittag erwartete Bekanntgabe der aktuellen Daten erwartet, da bei einem erneuten Mengenplus ein neues Allzeithochs erreicht werden könnte und daraus ein preisdrückender Impuls ausgehen könnte.

Unsere Einschätzung von Anfang letzter Woche, dass die Rohölpreise kurzfristig eigentlich nur die Richtung nach oben kennen sollten, müssen wir mit dem Wissen der letzten Tage revidieren. Eine kurzfristige Fortsetzung der Anfang Mai startenden Erholungstour wird von uns zum aktuellen Zeitpunkt aufgrund der jüngsten Vorgaben des Ölmarktes und an den Finanzmärkten als unrealistisch eingeschätzt. Sicher ist, dass die Entwicklung der Notierungen in den nächsten Tagen und Wochen weiterhin von zwischenzeitlichen Gewinnmitnahmen und den Stimmungsschwankungen der Anleger an den Finanzmärkten geprägt sein wird.

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