Ölpreise steigen auf neues Langzeithoch | Aktuelle Ölmarkt-News vom 04.12.2020

um 11:22 Uhr von Benjamin Stelse

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Auch wenn der neue Monat bereits einige Tage alt ist, möchten wir die Gelegenheit nutzen und auf die Entwicklung der Rohölpreise im zurückliegenden November werfen. Nachdem die Notierungen Anfang November noch bis auf neues Langzeittief gefallen sind, folgte eine Gegenbewegung. Ein Kursumschwung nach einer eindeutigen Preistendenz ist am Ölmarkt nicht selten, jedoch war die beschriebene Gegenbewegung der Beginn eines ungewöhnlich langen und kräftigen Aufwärtstrends, der mehr als drei Wochen lang anhielt. Letzte Woche Donnerstag erreichten die Preise beider Rohölsorten dann ihren Höhepunkt, bevor die Preise in eine Seitwärtsbewegung übergingen.

Die Seitwärtsbewegung mit Preisschwankungen innerhalb eines äußerst schmalen Preiskorridors von weniger als zwei Dollar/Barrel hielt bis gestern Nachmittag an. Im Nachmittagshandel kam zu einem regelrechten Preissprung, der die Notierungen bis heute Morgen auf den höchsten Stand seit dem Corona-Crash im Frühjahr steigen ließ. Die kräftigen Preissteigerungen sind auf die Einigung des Ölverbunds Opec+ in Bezug auf die kurzfristige Förderpolitik zurückzuführen. Nach tagelangen Unstimmigkeiten, die zu Beginn der Woche sogar zu einer Verschiebung der Verhandlungen geführt hat, konnten sich die 23 Mitgliedsstaaten auf eine Förderstrategie für das neue Jahr verständigen.

Im Sommer dieses Jahres wurde vereinbart, dass die drastisch reduzierten Fördermengen Anfang 2021 wieder deutlich steigen sollten. Da sich der Rohölmarkt jedoch nicht in dem Maße erholt hat wie zunächst kalkuliert und darüber hinaus die bis heute anhaltende zweite Corona-Welle kräftiger ausfiel als erwartet, hat mit Saudi-Arabien eines der bedeutendsten Ölförderländer bereits vor mehreren Wochen seine Bereitschaft signalisiert, die vereinbarten Produktions-kürzungen über das Jahresende hinaus beibehalten zu wollen. Dieser Ansicht waren bis zuletzt nicht alle Verbands-Mitglieder, sodass sich das ursprünglich für Anfang der Woche erwartete Ergebnis der Beratungen unerwartet verzögerte. Die Verzögerung hat dazu geführt, dass die zwischenzeitliche Preisrallye der Notierungen abrupt beendet wurde.

Nachdem es bei den beiden Rohölsorten Ende letzter Woche zu der ungewöhnlichen Entwicklung gekommen war, dass sich die Preise der beiden Rohölsorten konträr zueinander entwickelten, bewegten sie sich in den letzten Tagen wieder wie gewohnt im „Gleichschritt“. Durch die klaren Vorgaben der Finanzmärkte stiegen die Notierungen auch heute Morgen, jedoch unterschiedlich stark. Während die US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) am Morgen bei 46, $/b notierte und damit 0,7 Dollar/Barrel anstieg, stieg der Preis für ein Fass der für Europa relevanten Sorte Brent dagegen um noch deutlichere 0,9 Dollar/Barrel auf 49,6 Dollar. Im Vormittagshandel deutete sich bereits an, dass das frühmorgendliche Plus jedoch erst der Anfang sein könnten und weitere Steigerungen folgen könnten.

Prognosen und Aussichten beim Ölpreis

Vor der Einigung des Ölverbundes Opec+ wurde der Ölpreisanstieg auch von der jüngsten Entwicklung am Devisenmarkt im Zaum gehalten. Während sich der Euro-Dollar-Kurs im November lange Zeit parallel zum Ölpreis konstant aufwärts entwickelte, wurde die Aufwärtsbewegung des Währungskurses auch fortgesetzt, als die Notierungen zuletzt in einen Seitwärts-Trend übergingen. So sprang der Euro zu Wochenmitte erstmals seit April 2018 wieder über die für viele Marktteilnehmer so wichtige Marke von 1,20 Dollar und baute in den letzten Tagen seinen Wert auf über 1,21 Dollar weiter aus. Unsere Gemeinschafts-währung profitiert dabei weiterhin von der Risikobereitschaft der Anleger an den internationalen Finanzmärkten, die auf ein baldiges Konjunktur-Paket in den USA spekulieren.

Gestern konnte die Aufwärtsbewegung der Rohölpreise auch von den jüngsten Entwicklungen der amerikanischen Rohöl-Lagerbestände profitieren. Für Preisauftrieb sorgten die am Mittwochnachmittag veröffentlichen Daten der US-Energiebehörde, die in ihrem wöchentlichen Bericht bekannt gaben, dass die Ölreserven in der zurückliegenden Woche um 0,7 Mio. Barrel gesunken sind. Die veröffentlichten Daten widersprachen der Prognose des Interessenverbands American Petroleum Institute (API), der einen Tag zuvor noch einen kräftigen Anstieg von mehr als vier Mio. Barrel verzeichnet hatte. In der Regel werden die Notierungen von sinkenden US-Beständen gestützt, da diese auf eine stärkere Nachfrage hinweisen.

Bei all den preistreibenden Meldungen könnte man fast meinen, dass das Dauerthema Corona-Pandemie am Ölmarkt kurzzeitig in Vergessenheit geraten ist. Jedoch ist bei der Entwicklung der Neuinfektionen nicht überall Besserung in Sicht, sodass das Thema weiterhin präsent bleibt und ebenso Einfluss hat. Deutschland gehört trotz „Lockdown light“ mit konstant hohen Infektionszahlen und sogar steigenden Todeszahlen zu den „Sorgenkindern“ im weltweiten Vergleich. Neben der erneuten Verlängerung des Lockdowns bis zum 10. Januar, könnte es zu einer Verschärfung der aktuellen Maßnahmen kommen, die wiederum zu kurz- bis mittelfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen führen könnten.

Die Hoffnung liegt nun mehr denn je auf eine zeitnahe Zulassung eines wirksamen Corona-Impfstoffes, der eine weitere Ausbreitung des Corona-Virus einschränken könnte. Wie schnell die anvisierten Impfungen jedoch durchgeführt werden können ist zum jetztigen Zeitpunkt nur schwer einzuschätzen. Die heutige Meldung, dass die zugesagten Impf-Mengen seitens der Pharmakonzerne Biontech und Pfizer aufgrund von qualitativ nicht ausreichenden Vorprodukten nur zu 50 Prozent ausgeliefert werden können, lässt die Hoffnung auf eine bundesweite „Impfbereitschaft“ schwinden.

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