Ölpreise setzen zur Talfahrt an | Aktuelle Ölmarkt-News vom 22.05.2020

um 10:59 Uhr von Benjamin Stelse

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Genau heute vor einem Monat haben die Rohölpreise eine über mehrere Wochen anhaltende Talfahrt mit dem Erreichen von historischen Tiefstständen beendet. Zuvor sind die Notierungen in Folge der Corona-Krise und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen nahezu konstant gesunken. Zu den wirtschaftlichen Folgen gehört neben einem beispiellosen Nachfrageeinbruch, auch eine regelrechte Über- schwemmung des Marktes mit „billigem Öl“. Die Ölschwemme war das Resultat eines Preiskrieges zwischen Russland und Saudi-Arabien, der in der Zwischenzeit beigelegt wurde.

Nach dem Verfall der Rohölpreise zeichnete sich am Ölmarkt jedoch eine massive Erholungstour ab, die innerhalb der letzten vier Wochen zu einer deutlichen Stabilisierung führte. Doch die mit der Stabilisierung zusammenhängenden kräftigen Preisanstiege sind nicht vollumfänglich am heimischen Heizölmarkt angekommen. Vielmehr kam es zu der ungewöhn- lichen Entwicklung, dass sich die Heizöl- und Rohölpreise konträr zueinander entwickelten. Unge- wöhnlich ist hierbei jedoch nicht die Tatsache der entgegengesetzten Entwicklung an sich, sondern der verhältnismäßig lange Zeitraum von fast zwei Wochen.

Nachdem die Heizölpreise letzte Woche Donnerstag auf den niedrigsten Stand seit mehr als vier Jahren gesunken sind, ist die vorherigen Abkoppelung der Heizölpreise nicht mehr ersichtlich und die Entwicklungen verlaufen seitdem wieder parallel. Wie bei den Heizölpreisen war auch bei den Rohölpreisen bis vor einer Woche eine Art Orientierungslosigkeit offensichtlich, die die Preise zuletzt in einem schmalen Preiskanal auf uns ab bewegen lies. Erst zu Wochenbeginn wurde die vor einem Monat startende Erholungstour wieder fortgesetzt.

Doch die am Montag beginnende Aufwärtsbewegung fand mit einem kräftigen Preisrückgang zum Start in den heutigen Handelstag ein abruptes Ende. Bei der für Europa relevanten Nordseesorte BRENT kam es im Vergleich zum Vortag zu einer Preisrückgang von 2,2 Dollar/Barrel (159 Liter) auf 33,9 $/b. Bei der amerikanischen Ölsorte West Texas Intermediate (WTI) fiel das Minus am Morgen mit 2,5 Dollar/Barrel noch deutlicher aus, sodass die US-Sorte einen Kurs von 31,4 $/b erreicht. Beide Rohölsorten haben somit einen Großteil der jüngsten Preissteigerungen wieder abge- geben und notieren auf dem Preisniveau von Montag.

Die Stabilisierung des Heizölmarktes in den letzten Wochen war im Wesentlichen auf eine preistreibenden Kombination aus einer zuletzt deutlich gestiegenen Nachfrage, sowie einem rückläufigen Rohölangebot zurückzuführen. In immer mehr Ländern wurden die strengen Restriktionen in Folge der Corona-Krise in den letzten Tagen gelockert, sodass die Rohölnachfrage deutlich anstieg. Darüber hinaus zeigt die seit Anfang Mai aktive Fördermengen-Regulierungen auf Seiten der großen Förderländer wie Saudi-Arabien oder Russland eine deutliche Wirkung.

Nach der eindeutigen Aufwärtsbewegung der Rohölpreise, basiert der heutige Preisrückgang auf neue Sorgen im Streit zwischen China und USA. Während Marktteilnehmer bereits zu Monatsbeginn eine mögliche Verschärfung im Disput der beiden Wirtschaftsmächte befürchteten, wurde von Vertretern beider Länder mitgeteilt, dass die zwischenzeitlichen Unstimmigkeiten geklärt werden konnten. Die erneute Verschärfung des Streites lässt jedoch aktuell die Sorge wieder steigen, dass die Ende letzten Jahres unterschriebene Teilvereinbarung im Handelsstreit bzw. dessen Inhalte gefährden werden könnten.

Neben den eindeutig preisstabilisierenden Faktoren am Ölmarkt, hat in den letzten Wochen sicher auch das Ausleiben von preisdrückenden Effekten zur rasanten Erholung der Rohölpreise beigetragen. Auch wenn im wieder angespannteren Verhältnis der beiden größten Volkswirtschaften USA und China aktuell noch nicht von einer Eskalation gesprochen werden sollte, so ist die heutige Talfahrt auf eine der beiden Streitparteien zurückzuführen. Erstmals seit 20 Jahren hat die chinesische Regierung kein Ziel für das Wirtschafts- wachstum vorgegeben. Am Ölmarkt wird aufgrund dieser Tatsache an einer schnellen Erholung der chinesischen Wirtschaft gezweifelt.

Anders als in den letzten Wochen, als die Vorgaben am Ölmarkt nahezu konstant auf immer weiter steigenden Rohölpreise hinwiesen, stehen sie kurz vor dem Wochenende erstmals wieder stark unter Druck. Die veränderten Signale lassen kurzfristig ein weiter preisdrückender Effekt vermuten, sodass riskantere Anlageformen wie Rohstoffe am Aktienmarkt gemieden werden dürften. In den letzten Wochen haben bereits mehrere Beispiele gezeigt, dass Erholungsversuche nicht nur abgebrochen wurden, sondern die Preise daraufhin regelrecht abrutschten. Es sollte dementsprechend zunächst abgewartet werden, wie nachhaltig die jüngste Aufwärtsbewegung der Notierungen wirklich ist.

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