Ölpreise setzen Talfahrt weiter fort | Aktuelle Ölmarkt-News vom 08.09.2020

um 10:51 Uhr von Benjamin Stelse

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Die Entwicklung der Rohölpreise kannte über mehrere Wochen nur die Seitwärtsbewegung mit tendenziell leicht steigenden Ölpreisen, sodass die Preise beider Rohölsorten zu Beginn der Vorwoche die höchsten Stände seit dem Corona-Crash im Frühjahr erreichten. Doch die zwischenzeitlichen Langzeithochs wurden bereits kurz nach dem Erreichen wieder verlassen und es folgte eine unerwartet deutliche Abwärtsbewegung. Da die Ölpreise auch am heutigen Dienstag an die Kursverluste der Vortage anknüpfen, wird am Ölmarkt aktuell berechtigterweise von einem Übergang in einen Abwärtstrend gesprochen, der von gleich mehreren preisbelastenden Meldungen unterstützt wird.

Am Ölmarkt wurden die gestrigen Verluste von Marktteilnehmern als überraschend deutlich bezeichnet, da aufgrund des Nationalfeiertages Labor-Day die US-Börsen geschlossen waren und allgemein von einem umsatzschwachen Tag an den Ölmärkten gesprochen werden muss. Aufgrund der eingeschränkten Aktivität des US-Handels lag der Fokus des Ölmarktes wieder einmal auf der anhaltend globalen Nachfrageschwäche infolge der Corona-Krise. Während in den letzten Wochen in erster Linie über die Neuinfektion in den USA, Südamerika und zuletzt auch in Europa berichtet wurde, rückt aktuell Indien in den Fokus, da die südasiatische Nation mittlerweile weltweit die zweithöchsten Infektionszahlen vorweisen.

Grundsätzlich befindet sich der Rohölmarkt weiterhin in einem Spannungsfeld zwischen steigenden Nachfragesorgen infolge der Corona-Krise und seit Anfang August wieder steigenden Angebotsmengen. In den letzten Tagen haben sowohl Angebots- als auch nachfragerelevante Meldungen die Preisentwicklung beeinflusst. Der aktuelle Preisverfall ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass Saudi-Arabien den Preis für Rohöl mit Lieferung im Oktober deutlich gesenkt hat. Auch wenn die Preisanpassung als Reaktion auf die globale Nachfrageschwäche interpretiert wird, so wird der Schritt Saudi-Arabiens in der jetzigen Nachfragesituation sehr kritisch gesehen. Ein weiterer Indikator für die anhaltend schwache Nachfragesituation ist anhand der jüngsten Importdaten Chinas ablesbar. Im August sind die Ölimporte Chinas mit 11,2 Mio. Barrel am Tag auf den tiefsten Stand seit April und somit auf das Niveau kurz nach dem Beginn der Corona-Krise gesunken.

Darüber hinaus rückt am Ölmarkt aktuell die Befürchtungen vor neuen Handelsstreitigkeiten zwischen den beiden Wirtschaftsmächten China und USA in den Fokus. Auslöser war eine Aussage des US-Präsidenten Trump, der überraschend eine weitere Eindämmung der wirtschaftlichen Beziehungen ankündigte. Welche Auswirkungen die Uneinigkeit zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt haben kann, wurde anhand eines mehrere Monate anhaltenden und erst Ende letzten Jahres vorerst beigelegten Handelsdisputs deutlich. In der Zeit dieser Auseinandersetzung wurde die Weltwirtschaft nachhaltig belastet und die globale Rohölnachfrage geriet massiv unter Druck.

Trotz der zuvor beschrieben preisbelastenden Impulse, gehen viele Analysten mittelfristig davon aus, dass es sich bei der aktuellen Abwärtsbewegung um eine temporäre Angelegenheit handelt. Ein entscheidender Faktor für tendenziell wieder steigende Rohölpreise könnte eine kurzfriste Anpassung auf der Angebotsseite sein. Während sich zwischenzeitlich andeutete, dass Saudi-Arabien und Russland hinsichtlich des zukünftigen Opec-Förderabkommend unterschiedliche Ansichten vertreten, sollen die beide wichtigen Fördernationen nun doch weiterhin an einem Strang ziehen wollen. Für nächster Woche Donnerstag ist ein Treffen des  „Joint Ministerial Monitoring Committee“ (JMMC) geplant, auf dem nach aktuellem Stand weitestgehend Einigkeit über die zukünftige Einhaltung der zugeteilten Quoten herrschen sollte.

Während in den letzten Wochen Abwärtskorrekturen häufig auf fast schon zu erwartenden Gewinnmitnahmen spekulationsfreudigen Anleger zurückzuführen waren und häufig kurz darauf an den vorherigen Aufwärtstrend angeknüpft werden konnte, ist eine vergleichbare Entwicklung aktuell eher unwahrscheinlich. Bemerkenswert ist, dass in den Vorwochen preisdrückende Meldungen durchaus auch vorhanden waren, deren Einfluss auf die Preisbildung jedoch nur kurzfristig war oder komplett „verpufften“. Da die Anzahl der Meldungen mit preisdrückender Wirkung zuletzt nochmals zunahm und darüber hinaus stabilisierende Meldungen ausblieben, war die Abwärtskorrektur aus unserer Sicht überfällig, auch wenn die Höhe auch für uns überraschend deutlich ausfällt. Für die weitere Entwicklung der Rohölpreise wird somit essenziell sein, wann der jetzige Abwärtstrend gestoppt werden kann. (bs)

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