Ölpreise legen Verschnaufpause ein | Aktuelle Ölmarkt-News vom 08.12.2020

um 11:37 Uhr von Benjamin Stelse

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Nachdem die Rohölpreise in den zurückliegenden Wochen von gleich mehreren preistreibenden Impulsen geprägt wurden und die Notierungen zuletzt von einem Höchststand zum Nächsten geeilt waren, hat sich die Lage an den internationalen Warenterminmärkten in den letzten Tagen merklich beruhigt. Heute Morgen haben die Preise beider Rohölsorten an die Vortagesverluste angeknüpft, jedoch bewegen sich die jüngsten Preisrückgänge innerhalb eines überschaubaren Rahmens. Während die US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) am Morgen bei 45,5 $/b notierte und damit um 0,3 Dollar/Barrel nachgab, sank der Preis für ein Fass der Sorte Brent nur unwesentlich höher um 0,4 Dollar/Barrel auf 48,5 Dollar. Im Vormittagshandel deutete sich jedoch bereits an, dass das Minus erst der Anfang sein sollte und weitere Preisrückgänge im Tagesverlauf nicht auszuschließen sind.

Mit dem Blick auf unseren Preis-Chart wird deutlich, dass die Rohölpreise Ende letzter Woche ein neues Langzeithoch erreicht haben und der mehr als vier Wochen anhaltenden Aufwärtstrend erst zum gestrigen Start in die neue Woche beendet wurde. Am Freitag wurden die Notierungen durch die jüngste Entscheidung des Ölverbundes Opec+ entscheidend beeinflusst. Nachdem sich die 23 Mitgliedsstaaten an den ersten beiden Verhandlungstagen noch nicht auf eine kurzfristige Förderpolitik einigen konnten, wurden nach einem Tag Pause am Donnerstag die Beratungen fortgesetzt und die Mitglieder einigten sich auf eine moderate Mengensteigerung von 500.000 Barrel pro Tag. Im Sommer dieses Jahres wurde ursprünglich vereinbart, dass die drastisch reduzierten Fördermengen Anfang 2021 um zwei Mio. Barrel pro Tag steigen sollten. Der Rohölmarkt hat die Einigung des Ölverbandes wohlwollend zur Kenntnis genommen, jedoch fielen die Preissteigerungen deutlich übersichtlicher aus, als erwartet.

Nachdem die Ölpreise in den letzten Wochen nahezu ungebremst den Weg nach oben gesucht hatten, ist anhand des gestrigen Übergangs in eine Seitwärts-bewegung gut zu erkennen, dass die Erholungsrallye der Notierungen ein vorübergehendes Ende gefunden hat. Zurückzuführen ist der Stopp des Aufwärtstrends im Wesentlichen auf die neusten Entwicklungen der Corona-Pandemie. Während sich die Lage in den Vereinigten Staaten nach vergleichsweise ruhen Wochen bereits zuvor merklich verschärft hatte, sind die Zahlen in vielen weiteren Ländern auf einem konstant hohen Niveau. Zu den beschriebenen Ländern gehört auch Deutschland. In Deutschland wurde erst kürzlich der sogenannte Lockdown light verlängert, jedoch werden bereits jetzt „Stimmen laut“, dass die Maßnahmen nicht ausreichend sind.

Prognosen und Aussichten beim Ölpreis

Als eines der ersten Bundesländer hat gestern die Regierung des Bundeslandes Bayern angekündigt, dass die geltenden Maßnahmen des Lockdown light nicht ausreichend seien und eine zeitnahe Verschärfung der Maßnahmen geplant wird. Zu den Maßnahmen sollen Ausgangsbeschränkungen und – sperren in den Regionen gehören, in denen die Infektionszahlen auf einem deutlich zu hohen Niveau vorhanden sind. Besorgniserregend sind in ganz Deutschland neben der konstant hohen Anzahl von Neuinfektionen auch die steigende Zahl von Todesfallen, die an oder mit dem Corona-Virus gestorben sind. Die Umsetzung von härteren Maßnahmen könnte die gerade erst anlaufende konjunkturelle Erholung in vielen Ländern erneut stoppen. Infolgedessen würde auch die kurzfristige Nachfrage nach Rohöl gedämpft werden und somit den Ölmarkt erneut belasten.

Auch wenn die jüngsten Corona-Zahlen in den USA zuletzt ebenfalls wieder deutlich angezogen haben, waren in der Vorwoche noch keine Auswirkungen auf die Rohölnachfrage festzustellen. Vielmehr sind die Rohölbestände in den USA letzte Woche unerwartet um 0,7 Mio. Barrel gesunken, nachdem einen Tag zuvor der Interessenverbands American Petroleum Institute (API) eine Mengensteigerung von rund vier Mio. Barrel prognostiziert hatte. Die Ölpreise wurden durch die unerwartete Entwicklung der Bestände gestützt. Da der Einfluss der Bestandsveränderung nicht unerheblich für die kurzfristige Entwicklung der Notierungen ist, verschiebt sich der Fokus der Markteilnehmer auch heute wieder in Richtung USA. Denn hier werden bereits morgen Nachmittag die neusten Zahlen seitens der US-Energiebehörde veröffentlicht.

Nachdem eine Prognose über die kurzfristige Entwicklung der Rohölpreise bis Ende letzter Woche noch leichtfiel, da die Notierungen nahezu konstant nach oben strebten, werden „die Karten aktuell neu gemischt“ und eine Prognose fällt deutlich schwerer als zuvor. Aus unserer Sicht stellt der aktuelle Stopp des Aufwärtstrends eine Momentaufnahme dar, die nur äußerst unwahrscheinlich den Beginn eines nachhaltigen Abwärtstrends darstellen sollte. Vielmehr gehen wir davon aus, dass es sich aktuell um eine "Verschnaufpause" der Rohölpreise handelt, die kurzfristig in die Aufwärtsbewegung zurückfinden könnten. Sollte sich der angekündigte Start der Corona-Impfungen nicht weiter verzögern, könnten die positiven Auswirkungen auf die Rohölnachfrage bereits am Ende des ersten Quartals 2021 zu spüren sein. Bis dahin vergehen jedoch noch einige Wochen und wie wir in diesem Jahr bereits mehrmals "schmerzhaft" feststellen mussten, können sich die Vorgaben des Ölmarktes bis dahin noch mehrmals verändern.

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