Ölpreise erholen sich von nächtlichen Abschlägen | Aktuelle Ölmarkt-News vom 23.06.2020

um 11:19 Uhr von Benjamin Stelse

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Nachdem die Rohölpreise bereits zu Beginn des Jahres unter Druck gerieten, folgte die bis heute anhaltende Corona-Pandemie, die aufgrund der darauf resultierenden wirtschaftlichen Folgen zu einem regelrechten Verfall der Rohölpreise führte. Den Höhepunkt des Preisverfalls fanden die Notierungen vor gut zwei Monaten, als die damalige Fälligkeit des Terminkontrakts für den WTI zu heftige Kursturbu- lenzen sorgte und der Preis der Sorte zwischenzeitlich sogar ins Minus gerutscht ist. Die damaligen Ereignisse wurden selbst von langjährigen Marktteilnehmern als historisch bezeichnet, da ein vergleichbarerer Preisrutsch zuvor noch nie verzeichnet wurde.

Doch von der historischen Entwicklung am Rohölmarkt ist aufgrund einer Anfang Mai startenden, nahezu ununterbrochenen Erholungstour nur noch wenig zu merken, auch wenn zum Start in den heutigen Handelstag die Rohölpreise einen Teil der Gewinne der letzten Tage wieder abgaben. So gab der Preis der Sorte BRENT am Morgen um 0,2 Dollar/Barrel (159 Liter) auf 42,9 $/b nach. Bei der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel das Minus mit 0,3 Dollar/Barrel nur unwesentlich höher aus, sodass der Preis im frühen Handel bei 40,4 $/b notierte. Die frühmorgendlichen Verluste hätten jedoch auch wesentlich deutlicher ausfallen können.

Denn die Rohölpreise mussten sich am Dienstag- morgen zunächst von den spürbaren Abschlägen der vorherigen Nacht erholt. Auslöser für die zwischenzeitlich deutlichen Preisrückgänge war die Befürchtung, dass das Handelsabkommen zwischen den beiden Wirtschaftsmächten China und USA beendet sein könnte. So hat der wirtschaftspolitische Berater Navarro im amerikanischen Fernsehen den Handelsabkommen als beendet bezeichnet. US-Präsident Trump hat jedoch kurz darauf in einer Mitteilung über den Kurnachrichtendienst Twitter klargestellt, dass die Vereinbarung weiterhin intakt sei.

Auch wenn die Hintergründe der Aussage des wirtschaftspolitischen Beraters bis jetzt noch nicht vollumfänglich geklärt sind, war der Einfluss auf die Entwicklung der Rohölpreis nur von kurzer Dauer und die Tendenz beider Rohölsorten zeigt weiter nach oben. Die nahezu kontinuierliche Aufwärtsbewegung der letzten Wochen hat zuletzt dazu geführt, dass die Notierungen die höchsten Stände seit Anfang März erreichten und grundsätzlich von einer Stabilisierung des Ölmarktes gesprochen werden kann. Auch wenn aktuell wenig gegen eine Fortsetzung des Aufwärts- trends spricht, so sollten auch die Risiken des Markts nicht außer Betracht gelassen werden.

Aufgrund von Lockerungen der Corona-Restriktionen in vielen Wirtschaftsnationen, ist auch die Rohölnach- frage zuletzt gestiegen. Doch auf Nachfrageseite ist aktuell auch die größte Gefahr für den Markt zu finden. Denn in den letzten zwei Wochen kam es sowohl in China, als auch in einigen Bundesstaaten der USA zu einer erhöhten Anzahl von Corona-Infektionen. Da die Volkswirtschaften der beiden Nationen vor der Corona-Krise zu den größten Ölverbrauchern zählten, die sich im Vergleich zu anderen Ländern vergleichsweise langsam erholten, könnte eine neue Corona-Welle die wirtschaftliche Erholung erheblich ausbremsen.

Die zuvor beschriebene langsame Erholung der amerikanischen Wirtschaft wurde in den letzten Wochen auch anhand der Entwicklung der US-Bestände deutlich. Während eine anziehende Wirtschaft zu sinkenden Beständen führen sollte, sind diese in der vergangenen Woche auf den höchsten Stand seit Mai 2016 geklettert. Den entscheidenden Anteil der Mengensteigerung nahm das Produkt Rohöl ein, da Benzin und Destillate (Diesel und Heizöl) letzten Woche nachgaben. Da sich die Bestände zuletzt mehrmals entgegen der Erwartung entwickelten, werden auch diese Woche die für morgen Nachmittag angekündigten Zahlen mit Spannung erwartet.

Für eine Fortsetzung der Erholungstour der Notierungen spricht hingegen die anhaltend positive Entwicklung auf der Angebotsseite. Während die für die Monate Mai bis Juli vereinbarte Förder- mengendrosselung des Kartells Opec und seiner verbündeten Förderländer im ersten Monat noch von einigen wenigen Nationen nicht vollumfänglich eingehalten wurde, konnte in den ersten drei Wochen des aktuellen Monats eine Einhaltung bei nahezu allen Vertragspartner festgestellt werden. Neben der besseren Förderdisziplin der Opec+, kam es auch zu einem Produktionseinbruch in den USA, der auf eine geringere Profitabilität infolge der zeitweise massiv gefallenen Rohölpreise zurückzuführen ist.

Tendenziell sollte die Entwicklung der Rohölpreise kurzfristig eigentlich nur die Richtung nach oben kennen. Die Sensibilität des Ölmarktes wurde jedoch an der Reaktion auf die Meldung aus der Nacht bzgl. der angeblichen Beendigung des Handelsabkommens der beiden größten Volkswirtschaften deutlich. Das Konstrukt der Stabilisierung des Marktes steht weiterhin auf „wackeligen Beinen“ und nur die wenigsten Marktteilnehmer würden aktuell eine mittel- bis langfristige Prognose abgeben wollen. Dementsprechend wird die Entwicklung der Notierungen wohl auch in den nächsten Tagen und Wochen von zwischenzeitlichen Gewinnmitnahmen und Stimmungsschwankungen an den internationalen Finanzmärkten geprägt werden.

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