Ölpreise beenden Erholungtour erneut | Aktuelle Ölmarkt-News vom 03.07.2020

um 11:58 Uhr von Benjamin Stelse

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Mit Blick auf die aktuelle Entwicklung der Rohölpreise, lässt sich zum heutigen Wochenausklang feststellen, dass es bei den Notierungen im Vergleich zu den Vorwochen zu deutlicheren Preisbewegungen gekommen ist. Nachdem zu Wochenbeginn ein unerwartet deutlichen Rücksetzer bei den Preisen beider Ölsorten ersichtlich war, folgte am Dienstag der Übergang in eine nahezu konstante Aufwärts- bewegung, die erst zum heutigen Freitag ein Ende gefunden hat. Hintergrund der heutigen Preisrückgänge ist eine am Ölmarkt fast schon erwartete Gegenbewegung, die auf gleich mehrere Effekte zurückzuführen ist.

Auch wenn es zur Wochenmitte zwischenzeitlich zu einer entgegengesetzten Preisentwicklung bei den beiden Rohölsorten Brent und West Texas Intermediate (WTI) gekommen ist, kann aus Sicht der Marktteilnehmer nach einer eher ruhigen Woche mit vergleichsweise wenigen marktrelevanten Meldungen, von einer positiven Entwicklung der Rohölpreise gesprochen werden. Diese Beurteilung lässt sich auch auf der Tatsache stützen, dass sich die Notierungen im gestrigen späten Handel in unmittelbarer Nähe des Drei-Monats-Hoch von letzter Woche Dienstag befan- den, bevor die aktuelle Gegenbewegung einsetzte.

Die zuvor beschriebene Abwärtsbewegung sind im Wesentlichen auf die fast schon üblichen Gewinnmitnahmen von Anlegen zurückzuführen, die sich trotz der zuletzt deutlich verbesserten Stimmung an den internationalen Finanzmärkten gegen eine ausgeweitete Spekulation entschieden haben. Der Preis der für Europa relevanten Sorte Brent lag heute Morgen bei 42,6 $/b und die US-Sorte WTI notierte bei 40,2 $/b. Die Preise beider Sorten gaben somit zum Start in den Handelstag um leichte 0,5 Dollar/Barrel nach, blieben jedoch weiterhin über der für viele Marktteilnehmer so wichtigen 40 Dollar-Marke.

Nachdem die Entwicklung der US-Lagerbestände durch ihre kontinuierlichen Mengensteigerungen in den zurückliegenden Wochen zu einem Anstieg auf ein zuvor noch nie dagewesenen Allzeithoch geführt hat, fungierte das Hoch als einer Art Bremse auf die vorherige Erholungstourder Rohölpreise. Der überraschend deutliche Mengenrückgang von dieser Woche löste hingegeben einen preistreibenden Impuls aus. Während die American Petroleum Institute (API) am Dienstag noch von einem Minus von 8,5 Mio. Barrel ausgegeben ist, hat die US-Energiebehörde (DOE) in ihrem wöchentlichen Bericht einen Rückgang von 7,2 Mio. Barrel auf 533,5 Mio. Barrel bestätigt.

Auch wenn die aktuelle Entwicklung der US-Bestände auf eine deutliche Erholung auf der Nachfrageseite schließen lässt, macht der Blick auf die Vorjahreszahlen deutlich, dass weiterhin ein Ungleichgewicht besteht. Im Vergleich zu 2019, sind die amerikanischen Lagermengen der Ölprodukte um mehr als 15 Prozent gestiegen. Die Mehrmengen sind das Resultat der regelrechten Ölschwemme in den Monaten März und April, als die Rohölnachfrage infolge der Corona-Krise eingebrochen ist, die Ölproduktion jedoch nahezu unverändert fortgeführt wurde. Auf Produzentenseite sind die Nachwirkungen jedoch bis heute zu spüren, da die Anzahl der aktiven US-Ölbohranlagen im Vergleich zu letzter Woche von 188 auf 185 gesunken ist.

Während die Spätfolgen der Corona-Krise in Bezug auf die Öl-Produktionsstätten bis heute zu spüren sind, könnten die aktuellen Infektionszahlen in den USA zu noch viel weitreichenden Auswirkungen führen. Der aktuelle Anstieg lässt nicht nur die Angst vor einer zweiten Corona-Welle befürchten, sondern zeigt sehr deutlich, dass diese in Amerika bedauerlicherweise bereits mit „voller Wucht“ angekommen ist. Umso erstaunlicher ist es mit Blick auf den internationalen Rohölmarkt, dass eine belastende Wirkung auf die Notierungen weitesgehend ausgeblieben ist.

Die bis gestern anhaltende Aufwärtsbewegung ist vielmehr auf die preisstabilisierende Wirkung auf der Angebotsseite zurückzuführen. Die Einigung des Opec+ Verbundes auf eine Produktionsdrosselung von 10 Mio. Barrel am Tag hat in den letzten acht Wochen dazu geführt, dass sich die Rohölpreise vom Langzeittief im April deutlich erholen konnten. Mitte der Woche ist die Ölproduktion der Opec dann sogar auf den niedrigsten Stand der letzten 20 Jahre zurückgegangen, jedoch ist die Fortführung der Kürzungen nicht garantiert. Nachdem Saudi-Arabiens bereits im Mai einer Verlängerung der Fördermengenreduzierung nur unter der Voraussetzung zugestimmt hat, dass der Irak die zuvor unberechtigt geförderten Mehrmengen ausgleicht, drohte der saudische Ölminister bin Salman jüngst Nigeria und Angola mit einem Preiskrieg, da auch diese sich nicht an die Förderquoten hielten.

Mit Blick auf die Gesamtsituation, muss die Lage am Ölmarkt als deutlich angespannter als zuletzt bezeichnet werden. Denn neben den Gefahren auf der Angebotsseite, auf der aufgrund von mehreren potenziellen „Brandherden“ eine neue Ölschwemme aktuell nicht auszuschließen ist, bleibt auch die globale Nachfrage weit hinter den Erwartungen zurück. Ein konkreter Zeitpunkt bis zum Erreichen des Vorkrisenniveaus bleibt nur sehr schwer einzuschätzen und sollte aus unserer Sicht bis Ende 2021 nur äußerst unwahrscheinlich erreicht werden können.

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