Ölpreise steigen trotz Nachfragerisiken | Aktuelle Ölmarkt-News vom 26.06.2020

um 10:44 Uhr von Benjamin Stelse

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Nachdem die Kursschwankungen der Rohölpreise im Vergleich zu den Monaten zuvor seit Anfang Juni deutlich übersichtlicher ausfielen, nahmen die Auf- und Abbewegungen der Notierungen in dieser Woche wieder zu. Bis Mittwoch war am internationalen Ölmarkt die Fortsetzung der bereits Mitte letzter Woche startenden Erholungstour ersichtlich, sodass die Notierungen am Dienstag sogar einen Drei-Monats-Höchststand erreichten, diesen jedoch kurz darauf wieder verließen. Rückblickend waren vor allem Meldungen aus den Vereinigten Staaten für die deutlicheren Kursschwankungen verantwortlich.

Aufgrund der wieder zunehmenden Auf- und Abbewegungen am Markt, liegen die Rohölpreise zum Start in den heutigen Handelstag auf einem nahezu identischen Preisniveau, wie heute vor einer Woche. Nach einem unerwartet deutlichen Preisrückgang am Donnerstagmorgen, stieg der Preis der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) heute Morgen um 0,5 Dollar/Barrel (159 Liter) auf 39,3 $/b. Bei der für Europa relevanten Ölsorte BRENT fiel die Preissteigerung mit 0,6 Dollar/Barrel nur unwesentlich höher aus, sodass der Preis im frühen Handel bei 41,7 $/b notierte.

In den zurückliegenden Wochen bewegten sich die Notierungen am Ölmarkt tendenziell aufwärts, da sich die Stimmung an den internationalen Finanzmärkten zuletzt verbessert hat und das Interesse an Investitionen in risikoreiche Anlageformen wie Rohstoffen, zu denen auch Öl und Ölprodukte gehören, merklich stieg. Die verbesserte Stimmung war vor allem auf das Ausbleiben von preisdrückenden Meldungen zurückzuführen. Doch während diese in den letzten Wochen komplett ausblieben, traten diese Meldungen und deren Effekte wieder vermehrt auf.

Während bereits in den Vorwochen mehrmals Meldungen über eine sich anbahnenden Verschärfung im Verhältnis zwischen den USA und China aufkamen, wurde seitens der beider Wirtschaftsmächte immer wieder zugesichert, dass die angeblichen Differenzen beigelegt wurden und das Handelsabkommen weiterhin Bestand hat. Für Aufregung am Ölmarkt sorgte am Montagabend die Meldung der wirtschafts- politischen Beraters Navarro, der das Handels- abkommen für beendet erklärte. Kurz darauf folgte jedoch bereits eine Mitteilung des US-Präsidenten Trump, dass die Vereinbarung weiterhin intakt sein.

Auch wenn die Hintergründe der Aussage des Beraters bis heute noch nicht vollumfänglich geklärt sind, wird anhand des zwischenzeitlichen Preisrutsches am Ölmarkt wieder einmal deutlich, dass die seit mittlerweile nahezu sieben Wochen ununterbrochenen Erholungstour der Rohölpreise, durch eine entscheidende Meldung beendet werden könnte. Darüber hinaus stehen die Notierungen „auf wackeligen Beinen“ und die Nachhaltigkeit der Stabilisierung des Marktes bleibt abzuwarten. Der fast zwei Jahre lang andauernde Handelskrieg hatte bis zur Einigung Ende 2019 nicht nur zu einem deutlichen Rückgang der Ölpreise geführt, sondern auch die globale Rohölnachfrage nachhaltig beeinflusst.

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Zum Zeitpunkt der Einigung auf ein Teilabkommen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt, ahnte noch keiner der Beteiligten, dass es bereits wenige Wochen zu einer historischen Entwicklung am Ölmarkt kommen sollte. Durch die Corona-Krise und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen, kam es zu einem regelrechten Verfall der Rohölpreise, der erst durch den Einsatz von massiven geldpolitische Maßnahmen gestoppt werden konnte. Während die weltweit strengen Corona-Restriktionen in einer Vielzahl von Ländern den gewünschten Erfolg anhand von rückläufigen Infektionen und Todesfällen brachten, besteht aktuell die Angst vor einer zweiten "Welle".

Die zuvor genannten rückläufigen Infektionszahlen waren bisher im mittel- und südamerikanischen Raum noch nicht im gewünschten Umfang zu verzeichnen und aktuell zeichnet sich ab, dass auch in Ländern ein erneuter Anstieg der Infektionszahlen erkennbar ist, in denen zuvor eine deutliche Besserung ersichtlich war. Neben China, das als Ursprungsland der Pandemie gilt, sind auch in den Vereinigten Staate wieder steigende Infektionszahlen zu verzeichnen, wobei sich das Plus auf einige wenige Bundesstaaten bezieht. Das Ausmaß in den USA wird jedoch anhand der Maßnahmen in Texas deutlich, da hier mit dem Aussetzen weiterer Lockerung auf den aktuellen Anstieg reagiert wird.

Neben dem vermeintlich wieder verschärften Verhältnis zwischen den USA und China, sowie den befürchteten Nachfragerisiken, die infolge einer zweiten Corona-Infektionswelle eintreten könnten, blicken die Marktteilnehmer auch mit einem immer kritischerem Blick auf die Entwicklung der Rohöllagerbestände in den USA. Nachdem bereits in den Vorwochen immer wieder Analysten-Erwartungen übertroffen wurden, sind die US-Bestände in der dieser Woche mit einem Plus von 1,4 Mio. Barrel auf den höchsten Stand seit Juli 2017 angestiegen und liegen in unmittelbarerer „Schlagdistanz“ eines Allzeithochs.

Unsere Einschätzung von Anfang dieser Woche, dass die Entwicklung der Rohölpreise kurzfristig eigentlich nur die Richtung nach oben kennen sollte, müssen wir mit dem Wissen der letzten beiden Tage revidieren. Jedoch wird anhand der zuletzt wieder deutlicheren Preisbewegungen auch deutlich, dass eine konstante Fortsetzung der im Mai beginnenden Erholungstour keineswegs selbstverständlich ist und sich sowohl eine kurzfristige, als auch eine mittelfristige Prognose aktuell als äußerst schwierig erweist. Die Entwicklung der Notierungen wird in den nächsten Tagen und Wochen weiterhin von zwischenzeitlichen Gewinn- mitnahmen und den Stimmungsschwankungen der Anleger an den Finanzmärkten geprägt werden.

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