Ölpreise gehen vorerst in Abwärtsbewegung über | Aktuelle Ölmarkt-News vom 15.01.2021

um 11:17 Uhr von Benjamin Stelse

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Nachdem die Rohölpreise bis Ende letzter Woche an die kräftigen Preissteigerungen der vorherigen Wochen anknüpfen konnten, haben wir zu Beginn der aktuellen Woche darüber berichtet, dass der Aufwärtstrend der Notierungen „ins Stocken“ geraten ist. Da die Vorgaben der internationalen Finanzmärkte zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig für oder gegen eine Fortsetzung der Erholung des Rohölmarktes sprachen, haben wir uns mit einer Prognose bewusst zurückgehalten, wobei wir weitere Preissteigerungen im Wochenverlauf nicht ausgeschlossen haben. Dass die Preise jedoch so schnell zurück in die Aufwärtsbewegung finden, kam dann auch für uns überraschend.

Während die Rohölpreise bis Mittwoch zurück in den Aufwärtstrend fanden und zur Wochenmitte sowohl der Preis der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI), als auch der Preis der Nordsee-Sorte Brent bis auf den höchsten Stand seit dem sogenannten Corona-Crash im Frühjahr letzten Jahres kletterten, folgte auf Donnerstag die erste deutliche Abwärtskorrektur von mehr als 1,5 Prozent. Doch auch wenn die Notierungen zum Start in den heutigen Tag an die Preisrückgänge des Vortages anknüpfen, bewegen sie sich weiterhin in der Nähe der vor zwei Tagen erreichten Höchstwerte. Sollte die Abwärtsbewegung jedoch weiter anhalten, und so sieht es aktuell aus, könnte die Höchststände bereits zeitnah aus dem Sichtfeld verschwinden.

Nach dem Höhenflug der letzten Wochen sorgt die Gegenbewegung am Ölmarkt aktuell also wieder für sinkende Notierungen. Während der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) um 0,4 Dollar/Barrel auf 53,2 Dollar nachgab, kostet ein Barrel der für Europa relevante Öl-Sorte Brent am Morgen 55,90 US-Dollar und damit 0,6 Dollar/Barrel weniger. Trotz der Preisrückgänge halten sich die Notierungen auf einem hohen Niveau. Da die sinkenden Preise auch auf zum Wochenausklang fast schon üblichen Gewinnmitnahmen an den Finanzmärkten beruhen und die marktrelevanten Meldungen für einen weiteren Richtungswechsel und somit zeitnah wieder steigende Preise sprechen, könnte die aktuelle Abwärtsbewegung bald wieder ein Ende finden.

Ein bisher nur wenig beachteter Faktor könnte in den nächsten Tagen für merklichen Auftrieb am Ölmarkt sorgen. Eine der ersten Amtshandlungen nach der Übergabe der Regierungsangelegenheiten an die neue Regierung, könnte die Freigabe eines milliarden-schweren Finanzpaketes in den USA sein. Die Finanzhilfen wurden seitens des noch amtierenden US-Präsidenten bis heute nicht freigegeben. Das Paket soll dazu dienen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise abzufedern und die konjunkturellen Aussichten für das krisengeschüttelte Land deutlich zu verbessern. Es ist davon auszugehen, dass eine Bewilligung der Staatshilfe mittelfristig auch zu einer wieder steigenden Rohölnachfrage führen wird.

Prognosen und Aussichten beim Ölpreis

Doch auch ohne bewilligte Staatshilfe scheint die Rohölnachfrage in den USA in den letzten Wochen wieder deutlich zugenommen zu haben. Während die Lagerbestände im November 2020 mit mehr als 503 Mio. Barrel Rohöl einen der höchsten Stände des letzten Jahres erreichten, war in den letzten fünf Wochen ein kontinuierlicher Rückgang der Bestände zu erkennen. Anders als bei den Mitteldestillaten (Heizöl und Benzin), die in dieser Woche jeweils um mehr als 4,5 Mio. Barrel gestiegen sind, konnte der Rohöl-Lagerbestand in der letzten Woche um kräftige 3,3 Mio. Barrel sinken. Sinkenden Öl-Bestände sind in der Regel auf eine erhöhte Nachfrage am nationalen und auch internationalen Markt zurückzuführen.

Für Auftrieb bei den Notierungen könnte auch zukünftig die anhaltend gute Stimmung an den internationalen Finanzmärkten sorgen. Während die Erholung des Rohölmarktes in den letzten Tagen „ins Stocken“ geraten ist, eilen die Kurse an den bekanntesten Aktienmärkten weiterhin von einem Hoch zum Nächsten. Von stabilen Finanzmärkten und einer daraus resultierenden Bereitschaft zur Investition in vergleichsweise risikoreiche Investitionsfelder, zu denen auch Öl gehören, profitiert in der Regel auch die Entwicklung der Rohölpreise. Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass der US-Dollar seit Mitte der Woche etwas schwächer tendierte und somit der Entwicklung der Preise zusätzlich „unter die Arme gegriffen“ wird.

Bei all den preistreibenden Meldungen und der vergleichsweise zuversichtlichen Aussichten auf eine kurz- bis mittelfristige Entwicklung der Notierungen, bleibt das Thema „Corona-Krise“ allgegenwärtig. Die wohl größte Sorge in vielen Ländern ist die Aussicht auf Mutationen des Virus in unterschiedlichen Formen. Eine Mutation des bekannten Virus hat die Fallzahlen in Industriestaaten wie Großbritannien zuletzt massiv in die Höhe trieben. Während Deutschland zuletzt gegen Inzidenzzahlen zwischen 300 und 400 gekämpft hat, ist die Zahl in Teilen Englands und Irlands zwischenzeitlich auf über 1500 gestiegen. Die wohl einzige Möglichkeit die immer weiter ausufernden Corona-Fallzahlen auf absehbare Zeit merklich einzudämmen ist in der Impfung gegen das Virus zu finden.

Nachdem die Impf-Aktivitäten in vielen Ländern bereits seit rund drei Wochen auf Hochtouren laufen und in ersten Staaten die anvisierten Impfzahlen bereits in absehbarer Zeit erreicht werden könnten, kommt es in Ländern wie Deutschland zu unvorhergesehenen Verzögerungen aufgrund von Schwierigkeiten bei der Termin-Vergabe und dem Mangel von ausreichend Impfstoff. Sollte die weltweit gestartete Impf-Kampagne nicht oder erst verzögert den gewünschten Erfolg zeigen, und diese Annahme ist aufgrund der jüngsten Vorkommnisse in der EU durchaus berechtigt, könnte die über mehrere Monate aufgebaute Erholung der Notierungen innerhalb kürzester Zeit wieder „zerstört" werden.

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