Ölpreise erreichen Sieben-Wochen-Hoch | Aktuelle Ölmarkt-News vom 17.11.2020

um 12:41 Uhr von Benjamin Stelse

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Während die Entwicklung der Rohölpreise bis Ende Oktober von nur übersichtlichen Preisschwankungen geprägt wurde, haben die Auf- und Abbewegungen in den zurückliegenden zwei Wochen deutlich zugenommen. Mit dem Blick auf unseren Preis-Chart wird deutlich, dass die Rohölpreise in diesem Zeitraum keinen eindeutigen Trend verfolgten, wobei die Preise trotz immer wiederkehrender Abwärtsbewegungen tendenziell nach oben strebten. Zurückzuführen sind die vergleichsweise deutlichen Preisbewegungen auf eine Vielzahl von marktrelevanten Meldungen, deren Einflussnahme jedoch häufig nur kurzfristig war.

Die zuvor erwähnten Einflüsse sind in den letzten Tagen im Wesentlichen von zwei preistreibenden Meldungen ausgegangen. Auch wenn der amtierende US-Präsident Trump bis heute auf eine offizielle Bestätigung seiner Abwahl verzichtet hat, verdichten sich die Hinweise, dass die Übergabe an den neuen Präsidenten Joe Biden „hinter den Kulissen“ große Fortschritte macht. Während die zwischenzeitlichen Verzögerungen bei der Auszählung von Wahlstimmen am Rohölmarkt noch einen preisdrückenden Effekt auf die Rohölpreise hatte, folgten die Preise beider Rohölsorten den deutlichen Vorgaben der Finanzmärkte. Die euphorische Stimmung an den Börsen war jedoch nicht alleine auf die Entscheidung zugunsten Bidens zurückzuführen, sondern im Wesentlichen auf eine ganz andere Meldung.

Bei der Meldung mit deutlich mehr Einfluss handelte es sich um ein offizielles Statement seitens der beiden Pharmaunternehmen Biontech und Pfizer, die letzte Woche Montag den Durchbruch bei der Suche nach einem Corona-Impfstoff bekannt gaben. Bei dem Impfstoff konnten die Unternehmen eine Wirksamkeit von 90 Prozent nachweisen, sodass sie kurzfristig ein Zulassungsverfahren in den USA einreichen. Alleine die Aussicht auf einen kurzfristig verfügbaren Impfstoff hat an den internationalen Finanzmärkten zu einem regelrechten „Kursfeuerwerk“ geführt. Und auch die Reaktion des Rohölmarktes lies nicht lange auf sich warten. So stiegen die Preise beider Rohölsorten sprunghaft um rund fünf Prozent.

Nach dem Preissprung zur Mitte der letzten Woche hat sich die Lage am Rohölmarkt merklich beruhigt. Doch die „Ruhe“ hielt nur bis in den gestrigen Nachmittagshandel, als bekannt wurde, dass neben den Unternehmen Biontech und Pfizer mit dem US-Konzern Moderna ein weiteres Pharmaunternehmen positive Versuchsergebnisse zu einem angepeilten Corona-Impfstoff veröffentlicht hat. Der Vorteil des Impfstoffes aus den USA sei, dass der nachgewiesene Wirkungsgrad etwas höher sei und außerdem bei der Lagerung eine geringere Kühlung als bei dem Konkurrenzprodukt notwendig ist, sodass die Verteilung des Impfstoffes erleichtert werden könnte.

Prognosen und Aussichten beim Ölpreis

Durch die Bekanntgabe des Alternativ-Impfstoffes vom US-Konzern Moderna kam es heute Morgen erneut zu einem kräftigen Preisanstieg. Die für Europa relevante Rohölsorte Brent notierte im frühen Handel bei 44,2 $/b und die amerikanische Sorte West Texas Intermediate (WTI) kostete 41,5 $/b. Die Preise beider Sorten stiegen somit im Vergleich zum gleichen Zeitpunkt am Vortag deutlich um jeweils rund 1,4 Dollar/Barrel. Auch wenn die Preisbewegungen der letzten Tage tendenziell seitwärts tendierten, erreichten die Rohölpreise aufgrund der heutigen Preissteigerung neue Höchststände. Für vergleichbare Preise mussten wir in unseren Statistiken bis Anfang September zurückgehen.

Und auch die gestern Vormittag veröffentlichten Konjunkturdaten der zweitgrößten Volkswirtschaft China sorgten gestern für zuversichtliche Stimmung an den Finanzmärkten. So zeigen die aktuellen starken Wirtschaftsdaten aus China, dass die Einzel- handelsumsätze im Oktober um mehr als vier Prozent gestiegen sind und somit noch stärker als im Vormonat. Im Vergleich zum Vorjahresmonat konnte die Industrieproduktion sogar um rund sieben Prozent klettern. Da China weiterhin als einer der wichtigsten Rohölverbraucher weltweit gilt, sogt die Hoffnung auf eine nachhaltig steigende Nachfrage aus China für Auftrieb am internationalen Rohölmarkt.

Auch wenn zuletzt gleich eine Vielzahl von marktrelevanten Meldungen einen preistreibenden Effekt auf die Entwicklung der Rohölpreise hatten, schwebt weiterhin das „Damokles-Schwert“ der Corona-Pandemie über der Weltwirtschaft und infolgedessen auch über dem Rohölmarkt. Ein Beispiel wie schnell die Auswirkungen der Pandemie sämtliche wirtschaftlichen Fortschritte ausbremsen können wird aktuell in unserem Nachbarland Österreich deutlich. Dort befinden sich alle Einwohner seit heute erneut in einem Lockdown, der mit seinen Maßnahmen mit dem Lockdown aus dem Frühjahr zu vergleichen ist.

Ein vergleichbarer Lockdown ist in Deutschland aktuell noch nicht zu befürchten, jedoch wendete sich die deutsche Kanzlerin Merkel in einer Pressekonferenz gestern erneut mit einem eindringlichen Appell zur Einhaltung der Maßnahmen an die Bevölkerung. Darüber hinaus teilte sie mit, dass im gestrigen Bund-Länder-Austausch bereits darüber gesprochen wurde die Maßnahmen zu verlängern bzw. zu verschärfen. Die Auswirkungen der aktuellen Maßnahmen auf die Wirtschaft können weiterhin nur grob eingeschätzt werden, jedoch hat zuletzt Bundesfinanzminister Scholz bereits mitgeteilt, dass für das kommende Jahr eine Neuverschuldung im hohen zweistelligen Milliarden-Bereich notwendig sein wird. Zusammen- fassend bewegt sich der Rohölmarkt aktuell zwischen der Hoffnung auf einen baldigen Impfstoff und der Sorge vor den weiteren Auswirkungen der Pandemie.

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