Ölpreise erreichen März-Niveau | Aktuelle Ölmarkt-News vom 19.06.2020

um 11:03 Uhr von Benjamin Stelse

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Die Nachwirkungen der außergewöhnlichen Entwick- lung der Rohölpreise in den zurückliegenden Monaten waren nicht nur am internationalen Rohölmarkt spürbar, sondern hatte auch weitreichende Auswirkungen auf inländischen Preisentwicklungen. Die Auf- und Abbewegungen des Rohölpreises haben einen unmittelbaren Einfluss auf die heimischen Diesel- und Benzinpreise, sodass diese dem regelrechten Verfall der Rohölpreise gefolgt sind und die heimischen Kraftstoffpreise Ende April ebenfalls auf die niedrigsten Stände seit Anfang 2016 sanken.

Doch die Kraftstoffpreise schlossen sich nicht nur den konstanten Preisrückgang des Rohölpreises bis Ende April an, sondern folgen den Notierungen auch seit Anfang Mai im Gleichschritt wieder nach oben. Während die Kurvenverläufe des Rohöl- und der beiden Kraftstoffpreise nahezu identisch sind, fällt bei Betrachtung des Heizölpreis-Charts eine abweichende, zwischenzeitlich sogar entgegengesetzte Entwicklung auf. Speziell in den ersten beiden Mai-Wochen bewegten sich die Heizöl- und Rohölpreise konträr zueinander, doch die Koppelung der beiden Preise wird spätestens seit Anfang Juni wieder deutlicher.

Nachdem die Rohölpreise Ende April ihren absoluten Tiefpunkt erreichten und vorherige Stabilisierungs- versuche scheiterten, startete kurz darauf mit massiver geldpolitischer Unterstützung eine erfolgreiche Erholungstour am Rohölmarkt, die abgesehen von einer zwischenzeitlichen Unterbrechung, bis Anfang Juni zu nahezu konstant steigenden Notierungen führt. Unterstützt wurde die Erholung darüber hinaus von der Einigung führender Produktionsländer auf eine zunächst bis Ende Juni festgeschriebene Fördermeng- enreduzierung. Nachdem diese nochmals um vier Wochen verlängert wurde, blieb der erhoffte Effekt aus.

Die Anfang Juni vereinbarte Verlängerung der Drosselung um rund zehn Mio. Barrel (159 Liter) pro Tag seitens des Opec-Kartells und ihren Kooperationspartnern führte kurz nach ihrer Bekanntgabe zu einer deutlichen Preissteigerung. Ziel der Ausweitung der Fördermengenkürzung sollte die weitere Stabilisierung des internationalen Ölmarktes sein, jedoch wurde in den darauffolgenden Handelstagen ein Großteil der zwischenzeitlichen Gewinne wieder abgegeben. Die Notierungen konnten somit nach der Bekanntgabe nicht an die vorherigen Preissteigerungen anknüpfen und bewegten sich innerhalb eines schmalen Preiskanales seitwärts.

Trotz fehlender marktrelevanter Impulse ist der Rohölpreis jedoch seit Anfang der aktuellen Woche in einen unerwarteten Aufwärtstrend übergegangen. So stieg der Preis der Sorte BRENT seit Montag um kräftige 4,3 Dollar/Barrel (159 Liter) auf 41,9,3 $/b. Bei der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel die Preissteigerung in den letzten Tagen mit 4,5 Dollar/Barrel sogar noch deutlicher aus, sodass der Preis am Freitagmorgen bei 39,2 $/b notierte. Abgesehen von den Werten von letzter Woche Montag, als es bei den Notierungen zu einem kurzfristigen Preissprung kam, erreichen sie heute den höchsten Stand seit März dieses Jahres.

Das Erreichen der neuen Langzeit-Höchststände ist für Analysten auch insoweit überraschend, da es in den letzten Tagen nur wenige marktbewegenden Nachrichten gab und der Rohölmarkt zuletzt tendenziell eher gegenseitig widerstrebenden Kräften ausgesetzt war. Marktteilnehmer begründen die jüngste Aufwärtsbewegung daher auch eher mit einer typischen Gegenbewegung des Marktes auf die Verluste der letzten Woche. Selbst die aktuellen Stimmungsschwankungen an den internationalen Finanzmärkten, haben keinen negativen Einfluss auf die jüngste Fortsetzung der Erholungstour.

Neben dem Ausbleiben der Einflüsse der Aktienmärkte, blieb auch der negative Impuls der erneut gestiegenen US-Rohölbestände aus. Nachdem die Lagerbestände bereits letzte Woche unerwartet deutlich gestiegen waren, hat die amerikanische Energiebehörde am Mittwochnachmittag einen weiteren Anstieg der Rohölreserven auf 539,3 Mio. Barrel bestätigt. Die Bestände sind somit in dieser Woche auf den höchsten Stand seit Mai 2016 geklettert. Mit dem Blick auf die US-Lagerbestände an Destillat (Diesel und Heizöl) und Benzin, konnte hingegen der erste Rückgang der letzten vier Wochen festgestellt werden.

Wie bereits zuvor beschrieben, muss die jüngste Aufwärtsbewegung der Notierungen als unerwartet deutlich beschrieben werden. Durchaus hat sich die Lage am Ölmarkt im Vergleich zu den ersten vier Monaten des Jahres zuletzt deutlich beruhigt, jedoch ist es aktuell nicht auszuschließen, dass in der kommenden Woche ein (Groß-) Teil der jüngsten Gewinne wieder abgegeben werden. Neben der weiterhin kaum einschätzbaren Zeit bis zur Rückkehr der globalen Nachfrage auf das Niveau vor Corona, so besteht aufgrund der jüngsten Corona-Steigerungs- raten in China und den USA sogar die Gefahr, dass die zuletzt gelockerten Restriktionen in den betroffenen Ländern wieder verschärft werden müssen.

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