Ölpreise vor der nächsten Rallye? | Aktuelle Ölmarkt-News vom 27.06.2018

um 08:37 Uhr von Stefan Schmellekamp

Ölpreise - Entwicklungen am Ölmarkt

Der OPEC-Beschluss zur Fördererhöhung hat am Ölmarkt nur zu einer überraschend kurzen Verschnaufpause geführt. Noch bevor sich die Ölpreise neu finden konnten, prescht US-Präsident Trump vor und fordert ein vollständiges Öl-Embargo gegen den Iran. Die Ölpreise reagierten umgehend auf diese Forderung und legten kräftig zu. Die Nordsee-Ölsorte BRENT kletterte um 1,8 $/b und wurde am Mittwochmorgen bei 76,6 Dollar/Barrel gehandelt. Die US-Ölsorte WTI zog sogar um kräftige 2,5 $/b an und notierte am Morgen mit 70,8 Dollar/Barrel auf einem Monatshoch.

Kurz nach dem OPEC-Meeting geht die US-Regierung in die Offensive und sorgt mit der Forderung einer vollständigen Beendigung der Rohölimporte aus dem Iran bis November dieses Jahres für einen Paukenschlag auf dem Weltölmarkt. Die ohnehin schon angespannte Angebotslage auf dem Ölmarkt konnte daher nur sehr kurzfristig durch den OPEC-Beschluss beruhigt werden, nun droht zum Jahresende eine deutliche Unterversorgung.

Im Mai hatte die US-Regierung beschlossen aus dem Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen, was damals schon zu einem spürbaren Anstieg der Ölpreise geführt hatte. Ein noch stärkerer Ausbruch nach oben wurde jedoch zunächst verhindert, weil die EU und Russland eine Lösung finden wollten, dass iranische Atomabkommen am Leben zu halten. Durch den heutigen Vorstoß von US-Präsident Trump dürfte dies nun deutlich schwerer werden. Sollten sich die USA mit ihrer Forderung durchsetzen und mit Hilfe eines strikten Sanktionsregimes, die Ölimporte aus dem Iran auf Null reduzieren, dann könnte dies weitreichende Folgen haben.

Der Regionalmacht Iran würde die Haupteinnahmequelle genommen, was das Land mit dem Rücken zur Wand stellt und eine Eskalation der zahlreichen Konflikte im Nahen Osten zur Folge haben könnte. Für den Ölmarkt ergeben sich daher direkt mehrere Risiken, die zu einem Anstieg der Ölpreise führen. Einerseits führen zunehmende militärische Auseinandersetzungen im ölreichen Nahen Osten stets zu Risikoaufschlägen bei den Ölpreisen und darüber hinaus würde der vollständige Stopp der iranischen Ölexporte auch ganz faktisch zu einem massiven Angebotsdefizit auf dem Weltölmarkt führen.

Marktentwicklung Ölpreise, Ölnotierungen

 

Die angekündigte Fördererhöhung der OPEC und Russlands wäre angesichts des Komplettausfalls der iranischen Ölexporte der bekannte „Tropfen auf den heißen Stein“. Und auch wenn es der US-Regierung gelingen sollte, bei den für die kommende Woche angekündigten Gesprächen mit Partnern im Nahen Osten, weitere Ölförder-Erhöhungen durchzusetzen, so ist nicht erkennbar, wie man eine Zusicherung von Trump umsetzen will, dass das weltweite Angebot vom iransichen Ölembargo nicht betroffen sein wird. Einerseits ist fraglich, wo eine Erhöhung des globalen Ölangebots zurzeit überhaupt herkommen sollen und darüber hinaus drohen in anderen Ölförderländern zurzeit Förderrückgänge.

Venezuela leidet unter einer massiven Wirtschaftskrise und kann seine zugsagten Öllieferungen nicht mehr einhalten, in Libyen sorgt der Bürgerkrieg immer wieder für Förderausfälle und in Kanada musste die Produktion auf einem großen Schieferölfeld eingestellt werden. Besonders die Anschläge auf wichtige Ölexporthäfen in Libyen könnten zu einem Rückgang des weltweiten Ölangebots von über 0,5 Mio. Barrel führen. Aber auch der Ausfall des kanadischen Ölfeldes bei Fort McMurray sorgt bis Ende Juli für einen Angebotsausfall von gut 0,3 Mio. Barrel pro Tag, was den US-Ölmarkt zur Hauptreisezeit hart trifft. Die genannten Ausfälle könnten die Anhebung der OPEC-Ölförderung bereits verpuffen lassen.

Zwar hängt der Handelskonflikt zwischen den USA und China, sowie der EU und Kanada weiterhin wie ein Damokles-Schwert über der Weltwirtschaft und somit auch den Ölpreisen, doch wenn der Iran als Öllieferant vollständig ausfallen sollte, werden die preistreibenden Impulse den Ölmarkt bald eindeutig dominieren. Spätestens im Herbst könnten sich die Ölpreise dann auf neue Langzeithöchststände empor schwingen, doch vermutlich wird dies sogar noch deutlich schneller passieren.

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